Text des Monats

Nicht mehr evangelikal – Theoriebildung zu postevangelikaler Theologie und Glaubenspraxis.

by Jason Liesendahl


In den vergangenen Jahren hat eine Vielzahl von Menschen, die aus vornehmlich evangelikalen Bezügen stammen, einer Art Entfremdung von ihrer bisherigen Glaubensweise erfahren und dies mit dem Begriff „Dekonstruktion“ in Worte gefasst. Insbesondere die Coronapandemie hat diese Entwicklung befeuert. In dieser Zeit haben sich viele Menschen in den sozialen Medien über Dekonstruktionserfahrungen ausgetauscht. Das Phänomen hat darüber eine Fülle von kritischen Veröffentlichungen hervorgebracht, in denen Dekonstruktion mit dem Abfallen vom wahren Glauben warnend in Verbindung gebracht wurde. Andere Beiträge boten Deutungen an, die eher vermittelnd bis wohlgesonnen anklangen. Hier wurde die Glaubensdekonstruktion als überfällige und begrüßenswerte Weitung und Weiterentwicklung der evangelikalen Frömmigkeit wahrgenommen. Die unterschiedlichen Sichtweisen auf das Phänomen stehen auch damit in Verbindung, dass die Glaubensdekonstruktion verschiedentliche Ausprägungen annimmt. So führt sie bei manchen Menschen dazu, dass sie sich als „Ex-Evangelikale“ verstehen und dem Glauben den Rücken kehren. Andere entwickeln eine für sie neue Art, dem christlichen Glauben Ausdruck zu verleihen und bezeichnen sich als „Postevangelikale“. 

 

Religiöse Transformationsprozesse sind in der empirischen Forschung seit Jahrzenten Untersuchungsgegenstand. Hier wurden bereits wegweisende theoretische Ansätze entwickelt und mit breiter Datenbasis belegt. Die Masterarbeit setzt an den bestehen Diskursen der religiösen Entwicklungspsychologie und der Dekonversionsforschung an und fragt danach, inwiefern das Phänomen des Postevangelikalismus und dessen Grundfigur der Glaubensdekonstruktion als gesondertes Phänomen zu begreifen ist und welche Merkmale ihm zuzuweisen sind. Dazu wurde im Sinne einer Mixed-Method eine quantitative Vorstudie durchgeführt, an der 814 Personen teilgenommen haben. Daran anschließend wurden sieben qualitative leitfadengestütze Interviews durchgeführt und mit Hilfe der Grounded Theory analysiert. Dabei wurden explizit solche Christ*innen in den Fokus gerückt, die einerseits eine Dekonstruktionserfahrung gemacht haben, sich aber trotzdem weiterhin als Christ*innen verstehen.

 

In der Datenanalyse hat sich gezeigt, dass die beschriebenen Dekonstruktionserfahrungen unter Bezugnahme auf Systemtheorien besser verstehbar werden, wenn die wesentlichen systemischen Wechselbeziehungen in den Blick genommen werden. Dies brachte auch eine überraschende Sichtweise auf Rolle und Bedeutung theologischer Überzeugungen zutage. Gerade auch theologische Überzeugungen und deren Veränderungen konnten in ihrer Wechselbezogenheit eingeordnet werden. Damit ist gemeint, dass Glaubensüberzeugungen im Leben der interviewten Personen eine systemische Funktion beizumessen sind. Theologische Überzeugungen haben eine stabilisierende Wirkung auf Wechselbeziehungen zwischen Person, sozialem Umfeld, christlichen Institutionen und dem Gottesbild. Geraten diese Wechselbeziehungen in eine Dysbalance, erfahren Erschütterungen oder werden stark irritiert, müssen Anpassungsleistungen vorgenommen werden. So verstanden ist eine Glaubensdekonstruktion kein zu bewältigendes Problem, es ist ein Lösungsweg für ein Problem. Die Teilnehmenden haben sehr ausführlich davon berichtet, wie ihre systemischen Bezüge in Gemeinde, sozialem Umfeld oder in der Gottesbeziehung erschüttert worden sind und wie der anschließende Prozess ausgesehen hat, die verschiedenen Wechselbeziehungen neu auszurichten. Inwiefern der christliche Glaube hier auch weiterhin eine Rolle spielen kann und welche Ausgestaltung dies annehmen kann, ist ebenfalls Teil der Auswertung dieser Masterarbeit.

 

Falls Ihr Interesse geweckt ist, sind Sie eingeladen, die Thematik anhand der vorliegenden Masterarbeit zu vertiefen.

Dies ist ein Ausblick über die Masterarbeit "Nicht mehr evangelikal – Theoriebildung zu postevangelikaler Theologie und Glaubenspraxis.", wenn du die ganze Masterarbeit lesen willst, dann kannst du das hier tun.

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Ergänzungen, Kritik und Praxisbeispiele sind herzlich willkommen!

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